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2009-05-09 Presseerklärung zum Symposium

in 2009 10.05.2009 21:12
von Forumsleitung • Forumsleitung | 2.035 Beiträge
2009-05-09 Presseerklärung zum Symposium

PRESSEINFORMATION

Internationales Symposium - Report Darstellende Künste
Die Lage der Theater- und Tanzschaffenden im Kontext internationaler Mobilität
vom 4. - 6. Mai 2009 in der Akademie der Künste, Berlin, Hanseatenweg 10

Theater- und Tanzschaffende fordern Reform der Sozialgesetze

Etwa 250 Theater- und Tanzschaffende aus dem In- und Ausland, Wissenschaftler sowie Vertreter der Kulturpolitik haben vom 4. bis 6. Mai in der Berliner Akademie der Künste "Die Lage der Theater- und Tanzschaffenden im Kontext internationaler Mobilität" diskutiert. Kernstück der Diskussion war die "Studie zur wirtschaftlichen, sozialen und arbeitsrechtlichen Lage der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland". Diese komplexe Gesamtstudie ist unter Federführung des Fonds Darstellende Künste gemeinsam mit dem Bundesverband Freier Theater, dem ITI Zentrum und den Wissenschaftlerinnen Dr. Cornelia Dümcke, Dr. Carroll Haak und Dr. Susanne Keuchel realisiert worden. Sie ist seit dem „Künstlerreport“ von 1973, den die Bundesregierung in Auftrag gab, die umfassendste Datenerhebung im Bereich der Darstellenden Künste.

"Die Ergebnisse dieser Studie sind alarmierend", so Günter Jeschonnek, Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste. "Wir wissen nun, dass etwa zwei Drittel aller Selbständigen im Niedrigeinkommenssegment von unter fünf bis zehn Euro pro Stunde arbeiten. Durch die Sozialgesetzgebung wird eine Mehrheit schnell zu Hartz-IV-Empfängern. Man kann also sagen, dass die freien Theater- und Tanzschaffenden trotz überwiegend ausgezeichneter Ausbildung, Mehrsprachigkeit, hoher Flexibilität und Mobilität und enormer zeitlicher Belastung deutlich unter vergleichbaren Mindestlöhnen arbeiten." An der Studie hatten sich bundesweit 4.047 Theater- und Tanzschaffende beteiligt. Um inhaltliche Fragen vertiefend zu klären, wurden bundesweit zusätzlich 350 Einzel- und Gruppeninterviews mit Theater- und Tanzschaffenden geführt. Repräsentative Aussagen waren aufgrund der fehlenden Unterstützung des Deutschen Bühnenvereins nur zur freien Theater- und Tanzszene möglich.

"Fragile Beschäftigungsverhältnisse von freien Künstlern sind so etwas wie ein Seismograph für die Gesellschaft", so Staatssekretärin Prof. Barbara Kisseler, Chefin der Berliner Senatskanzlei. Dr. Susanne Keuchel vom Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) zeigte für den Arbeitsmarkt von Künstlern vor allem einen folgenreichen Trend auf, den bisher keine Studie offen gelegt hat: "Die bisherige Aufteilung der Theater- und Tanzschaffenden in freiberuflich oder sozialversicherungspflichtig Tätige ist nach den vorliegenden Daten für die aktuelle Praxis der Künstler nicht mehr relevant. Vielmehr existiert heute eine dritte Gruppe, die sowohl freiberuflich als auch über Zeitverträge, teilweise auch über nicht-künstlerische Tätigkeiten abhängig beschäftigt ist." Diese Gruppe "der Pendler zwischen den Welten", die nach der Studie mindestens ein Fünftel der Theater- und Tanzschaffenden ausmache, sei sozial nur unzureichend abgesichert. Sie falle aus dem Versicherungsschutz der Künstlersozialkasse (KSK) und könne sich auch im Rahmen punktueller sozialversicherungspflichtiger Jobs so wie gar nicht absichern.


Der Bundesverband Freier Theater appellierte in seinen Handlungsempfehlungen dringend an die Politik, die sozialen Sicherungssysteme an die neuen Entwicklungen anzupassen und zu reformieren. Neben der Forderung nach Mindesthonoraren verlangten die freien Theater- und Tanzschaffenden deutliche Erhöhungen der Fördermittel und die Abschaffung der alten Fristenregel für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG I) Unterstützung fanden sie dafür auch bei Gitta Connemann, Angelika Krüger-Leißner und Lydia Westrich, Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Enquetekommission des Bundestages "Kultur in Deutschland".

Weitere Teilnehmer des internationalen Symposiums waren u. a. der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, Hans-Joachim Otto, MdB, der Vorsitzende des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages und Kulturdezernent der Landeshauptstadt München, Dr. Hans-Georg Küppers, die Abteilungsleiterin beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel, die Vizepräsidentin der Akademie der Künste, Nele Hertling, Chris Torch (Culture Action Europe), Xavier Troussard (Europäische Kommission, Generaldirektoriat für Bildung und Kultur) und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann.

Nächste Schritte werden nach der vollständigen Publikation der Symposiumsergebnisse im Oktober 2009 als Initiative der Künstler erfolgen. Dazu gehört eine gemeinsame Arbeitsgruppe des Bundesverbands Freier Theater, des ITI und des Fonds Darstellende Künste in die auch die Gewerkschaften und der Deutsche Bühnenverein einbezogen werden sollen. Diese Arbeitsgruppe wird den interministeriellen Dialog einfordern, ohne den eine Realisierung der Handlungsempfehlungen der Künstler nicht erfolgen kann.

Der internationale Rahmen des Symposiums machte deutlich, dass es sich bei den durch die nationale Studie dargestellten Problemen, wie die prekäre Lage der Mehrheit der Künstler, um globale Entwicklungen aller Selbständigen handelt und dass vor allem soziale und rechtliche Fragen nicht allein in nationaler Verantwortung gelöst werden können.

Internationale Kunstproduktionen sind nicht ohne Mobilität der Künstler zu denken. Aber nicht allein fehlende finanzielle Mittel hindern Künstler, sondern vielfache Bürokratie und fehlende Flexibilität in den Antragsverfahren, ungenügende Informationen und Kompatibilität sozialer Sicherungssysteme.
International arbeitende Künstler, die in den jeweiligen Ländern Sozialbeiträge abführen, erwerben, in keinem der Länder wirkliche Ansprüche auf Sozialleistungen.

Im Abschlussforum des internationalen Symposiums stellten die Teilnehmer übereinstimmend fest, dass eine außerordentlich politische Debatte geführt wurde und den Absichten der Politik Einhalt geboten werden muss, die ohnehin geringen nationalen und europäischen Kulturetats angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise zu reduzieren.
„Eine kulturelle Perspektive ist dringender denn je. Diese kann nicht allein von den politisch Verantwortlichen entwickelt und entschieden werden. Weil die kreative und wert schöpfende Arbeit der Theater- und Tanzschaffenden wichtiger Bestandteil für die Gesellschaft ist, müssen die begründeten Forderungen nach starken kulturpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu spürbaren Konsequenzen führen“. Mit diesem Appell beendeten unter großen Beifall Dr. Thomas Engel, Direktor des ITI und Jürgen Flügge, Vorsitzender des Fonds Darstellende Künste, das Symposium.

Die Kernergebnisse der komplexen Gesamtstudie sind ab Mitte Mai 2009 auf den Webseiten des Fonds Darstellende Künste und des ITI Deutschland abrufbar. Die vollständige Publikation der Studie mit den Ergebnissen des Symposiums erscheint voraussichtlich im Herbst 2009.

Michael Freundt Günter Jeschonnek
ITI Zentrum Bundesrepublik Deutschland Fonds Darstellende Künste
Stellvertretender Direktor Geschäftsführer
Projektleiter der Studie
m.freundt@iti-germany.de projekt@fonds-daku.de
Tel.: 030/7911777 Tel: 0179/2914588
http://www.iti-germany.de http://www.fonds-daku.de

Anmerkung:
siehe auch die Diskussion im Mitgliederbereich:
http://www.freie-theater-bayern-forum.de...en.html#msg1072

Dateianlage:
zuletzt bearbeitet 10.05.2009 21:14 | nach oben springen


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